Musikalische Bestände

Laufend werden zu den Programmen der von der Gesellschaft veranstalteten Konzerte passende Objekte aus Archiv, Bibliothek und Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien auf der Website der Gesellschaft (www.musikverein.at), auf Facebook und Instagram präsentiert. Sie werden auch in reichem Maß in den von der Gesellschaft herausgegebenen aktuellen Publikationen (Zeitschrift „Musikfreunde“, Programmhefte, Faksimile-Ausgaben) publiziert, ganz abgesehen von ihrer starken öffentlichen Präsenz in den vielen nicht von der Gesellschaft herausgegebenen Publikationen in Print- und elektronischen Medien, für die sie als Illustrationsmaterial zur Verfügung gestellt werden. Das sei in Erinnerung gerufen, wenn auf dieser Seite in abwechselnder Folge interessante oder aktuelle Objekte aus unseren Beständen mit etwas ausführlicheren Kommentaren präsentiert werden, jedem Musikfreund in aller Welt bekannte, solche, die primär für Musiker oder Wissenschaftler von Bedeutung und daher nur bei diesen wohlbekannt sind, und solche, die vielleicht für den Großteil der einen oder der anderen Gruppe eine neue Erfahrung darstellen. Es sollen maximal zehn Objekte sein, um nicht zu überfordern. Weil der Nachlaß von Johannes Brahms der wichtigste unter den bei uns vorhandenen Nachlässen ist, ist immer mindestens ein Objekt aus diesem dabei.

 

Zum Beethoven-Jahr:
Das Hörrohr Ludwig van Beethovens

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2020

 

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2020


Dieses Hörrohr Beethovens befand ich sich im Eigentum des I. Physikalischen Instituts der Universität Wien; es war von technischem Interesse und wurde als Hörhilfe eines prominenten Patienten vermessen und studiert, wohl auch kopiert. Nachdem für Physik und Schallforschung solche Modelle obsolet geworden waren, erkannte man in diesem Hörrohr eine Beethoven-Reliquie. Als solche übergab der damalige Instituts-Vorstand, Univ.-Prof. Dr. Victor von Lang,  mit Zustimmung des Ministeriums dieses Hörrohr 1904  geschenkweise den Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
Zur Ertaubung Beethovens befinden sich im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde mehrere herausragende Zeugnisse. Besonders interessant das so genannte „Kesslersche Skizzenbuch“ für jene Werke, an denen Beethoven rund um die Niederschrift des „Heiligenstädter Testaments“ gearbeitet hat, jenes Dokuments, in dem er über seine fortschreitende Schwerhörigkeit berichtet. Geradezu bewegend ist es, in den handschriftlichen Orchesterstimmen seiner Symphonien zu blättern, die er für die Uraufführungen oder für frühe Aufführungen seiner Symphonien verwendet hat: In den frühen Symphonien findet man zahlreiche Korrekturen und Ergänzungen, die er nach den ersten Hörerfahrungen vorgenommen hat. Je später die Symphonien, umso weniger werden es. In den Orchesterstimmen für die Neunte Symphonie hat er nur mehr einige wenige Schreibfehler des Kopisten korrigiert.

 

Joseph Haydn schreibt eine Partitur „im Schlaf“

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019

 

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019


Wie alle seine Partituren ist auch die des Hornkonzerts in D-Dur Hob. VIId:3 von Joseph Haydn sehr sauber niedergeschrieben. Das war, wie er selbst auf der ersten Seite vermerkt hat, 1762, im Jahr, nachdem er als Vizehofkapellmeister an den Fürstlich Esterházyschen Hof engagiert worden war. Die kompositorische Arbeit erfolgte bei ihm im wesentlichen im Kopf, die Niederschrift musste bei diesem Werk offensichtlich besonders eilig erfolgen. Auf der vorletzten und letzten Seite hat Haydn dabei die Zeilen, die in der Partitur für die einzelnen Instrumente vorgesehen waren, verwechselt. Dass ihm das passiert ist, dafür hat er sich entschuldigt, mit einer sehr menschlichen und nachvollziehbaren Begründung: „Im schlaff geschrieben“. Wer sich diesen berührenden Einblick in den Alltag und die Werkstatt des Komponisten ansehen und noch mehr über Haydns Arbeitsweise, seine Partitur-Niederschriften und dieses Werk im Besonderen erfahren will, der kann zu unserer von Prof. Dr. Ingrid Fuchs herausgegebenen und reich kommentierten Faksimile-Ausgabe dieser Partitur greifen.

 

Ein Wiener Hammerflügel aus dem Veneto

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019

 

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019


Wenn ich in Venedig bin, besuche ich regelmäßig ein ganz kleines Antiquitätengeschäft nicht weit vom Campo Santo Stefano. Manchmal finde ich etwas für unsere Sammlungen, aber immer ist das Gespräch mit diesem Antiquario anregend, und es ist auch gut, schöne Dinge gezeigt zu bekommen, die nicht von beruflichem Interesse sind. Von ihm kam 2014 plötzlich ein Mail, ob ich an einem aus Wien stammenden „Clavicembalo“ interessiert sei, das die Eigentümer verkaufen möchten, er würde den Kontakt herstellen und gar nicht als Zwischenhändler auftreten. Ich wusste zwar gar nicht, was mich erwartete, war aber interessiert, die Eigentümer nahmen den Kontakt mit mir auf. So kam ich in eine Villa im Veneto und sah dort einen Wiener Hammerflügel aus dem Jahr 1823. Die Villa wird nur mehr zur Weinlese bewohnt, und die Eigentümer meinten, dass der Flügel am besten nach Wien zurückkommen sollte; sie wussten noch, wer ihrer Vorfahren ihn dort gekauft hatte. Händler wären zwar schon dort gewesen, aber eine Wiener Institution, wie unsere, das wäre wohl am sinnvollsten. Ich nannte einen Kaufpreis, die Familie wollte überlegen, ich bemühte mich jedenfalls um Mäzenatengeld, die Familie sagte zu, ich hatte das Geld – und dann musste nur noch auf die Ausfuhrgenehmigung gewartet werden. Sie kam, und 2015 kehrte der Flügel nach Wien zurück. Mag. Gert Hecher hat ihn restauriert, aber sogar die originale Belederung der Hämmerchen belassen können. Am 18. April 2016 erklang er erstmals in einem Konzert der Reihe „Nun klingen sie wieder“. Die Familie, die ihn zuvor auch schon in der Werkstatt bei der Restaurierung besucht hatte, saß nun im Brahms-Saal und hörte ziemlich bewegt „ihr“ Instrument an dieser traditionsreichen Adresse. Seither wurde dieser Flügel mehrmals in unserer Präsentation wieder erklingender Instrumente gespielt. Auch im Zyklus „Nun klingen sie wieder“ 2020/2021 wird er zu hören sein.
Mathias Müller war einer der angesehendsten Wiener Klavierbauer seiner Epoche. Das Gehäuses dieses auf dem Resonanzboden mit 1823 datierten Instruments ist rot polierte Esche, z.T. vergoldet und mit vergoldeten Messingornamenten geziert. Der Tonumfang reicht von KontraF bis c‘‘‘‘‘. Der Flügel besitzt fünf Pedale zur Schattierung von Dynamik und Klangfarben (von links): Fagott, Piano, Dämpfung, Pianissimo, Janitscharenzug (Becken , Trommel, Glöckchen). Der Janitscharenzug ist unverändert erhalten geblieben.
Otto Biba
 

Mozart spielt auf dem Pedalflügel

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019

 

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019


Wie wichtig es Mozart war, sein Publikum immer wieder aufs Neue zu überraschen, erkennt man sehr schön in seiner Partiturniederschrift des Klavierkonzerts in d-Moll KV 466 aus dem Jahr 1785. Er hat es auf einem Pedalflügel gespielt, d.h. auf einem Flügel, der auf einem Resonanzkasten stand, in dem sich Bass-Saiten befanden, die mit einer Pedalklaviatur (wie bei der Orgel) angespielt wurden. Mozart spielte also dieses Konzert „mit Händen und Füßen“. Prof. Dr. Ingrid Fuchs hat vor etlichen Jahren einen Brief eines Zeitgenossen entdeckt, in dem dieser einem Freund über Mozarts neue Idee berichtet hat: „Außer dem giebt Mozard alle Freytag auf der Mehlgruben“ – ein damals berühmter und oft für Konzerte benützter Saal in Wien – „Accademie; der Fortepianomacher Walther hat sein Pianoforte mit einem Pedal gemehrd. Mozard spielt das Instrument, und es soll herrliche Würckung machen; - heute hoffe ich es auch zu hören.“ In der Festschrift Otto Biba hat Ingrid Fuchs darüber berichtet. Von Mozarts Partiturniederschrift, die 1831 mit der Musikaliensammlung von Erzherzog Rudolph von Österreich in das Archiv gelangte, ist hier eine signifikante Stelle zu sehen, komplett und in einem Ausschnitt: Die Seite mit den ersten Takten des Klaviersolos im ersten Satz. Mit schwarzer Tinte hat Mozart hier (zweite und dritte Zeile von unten, ganz rechts, im Ausschnitt deutlich zu erkennen) Änderungen für das Spiel auf dem Pedalflügel eingetragen; meistenteils hat er aber den Pedalpart improvisiert. Diese Nachträge zeigen, dass sich Mozart erst nach der Niederschrift der Partitur und kurzfristig für die Wiedergabe des Konzerts auf einem Pedalflügel entschlossen hat.

 

Ein Brahms-Autograph aus Clara Schumanns Familie

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019

 

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019


Kontakte zu erwerben, zu besitzen und zu pflegen, ist eine meiner wichtigsten Aufgaben.  Zu Kontakten gehört auch Vertrauen, das ich vermitteln und laufend aufs Neue verdienen muss. Wenn eine Nachfahrin Clara Schumanns ein in der Familie überliefertes Autograph von Johannes Brahms verkaufen will, weil sie meint, es gehöre nicht in Familienbesitz, sondern müsse für Wissenschaft und Musik, Forschung und Musizieren öffentlich zugänglich sein, dann sondiert sie lange, wo die beste Adresse dafür sei. Ein wissenschaftlicher Kollege, von ihr mit dieser Frage konfrontiert, hat bei mir angefragt, weil er nach seinen persönlichen Erfahrungen das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde für diese Adresse hielt, und dann den Kontakt hergestellt. Da aber niemand ein solches Stück wie irgendein anderes Objekt verkauft, hat sich die Verkäuferin nicht nur die Empfehlung zu Herzen genommen, nicht nur im Internet über uns recherchiert und Referenzen gesucht, sondern es war auch notwendig, vertrauensvolle Fragen ehrlich und glaubwürdig zu beantworten. Daraus wurden wunderschöne persönliche Kontakte, die wir weiter pflegen: Immer ein Erlebnis, der Dame mit den so stark an Clara Schumann erinnernden Gesichtszügen gegenüber zu sitzen.  Ja, und das Autograph durften wir ankaufen. Die Mittel dafür waren zu finden, bei einer Mäzenatin, die dem Archiv und mir schon lange wertschätzend und vertrauensvoll verbunden ist.
Dieses Autograph ist Brahms‘ eigenhändige Niederschrift seiner Fuge für Orgel in as-Moll; er hat seine Handschrift – wie auf ihrer vierten Seite zu lesen ist - zu Weihnachten 1856 Woldemar Bargiel geschenkt. Dieser war Stief- oder Halbbruder Clara Schumanns und auch ein bemerkenswerter Musiker. Das Autograph, das einmal ein Weihnachtsgeschenk war, ist also ein wunderschönes Dokument für die Aufnahme von Johannes Brahms in die Familie Schumann, gut drei Jahre, nachdem er sich im September 1853 als Komponist dem Ehepaar Schumann vorgestellt hatte. Es ist aber auch eine sehr wichtige musikalische Quelle für dieses ganz ungewöhnliche Orgelwerk von Brahms; als solche wurde sie für die von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien mitherausgegebene Neue Brahms-Ausgabe für die Erstellung des dort publizierten wirklich korrekten Notentextes verwendet.
Das gefundene Vertrauen wurde aber noch weiter belohnt. Taschenpartituren zu Beethoven-Streichquartetten aus dem Besitz von Brahms konnte ich bald danach von der Familie ebenfalls ankaufen. Sie passen im Einband genau zu jenen, die mit dem Nachlaß von Brahms in unser Archiv gelangt sind. „Bücher haben ihr Schicksal“: Wie gerne würde ich wissen, wann sie Brahms’ Bibliothek verlassen haben, um fast hundertzwanzig Jahre später in diese zurückzukehren.
Otto Biba
 

Wieder lebendig: Ein Meisterwerk Johann Adolph Hasses

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019


Am Ende des 19. Jahrhunderts kam eine große Sammlung von handschriftlichen  Opernpartituren der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus dem Besitz von Johann Adam Graf von Questenberg (1678-1752) in unser Archiv. Der Graf hat auf seinem Schloß Jarmeritz in Mähren  (Jaromerice, Tschechien) regelmäßig Opernaufführungen veranstaltet und dafür die neuesten Werke aus Italien bezogen. Unsere Brünner Kollegin Prof. Dr. Jana Perutková hat sich eingehend damit beschäftigt und festgestellt, dass manche Werke, von deren erfolgreichen Aufführungen in Italien man weiß, nur dank der von Questenberg bezogenen und bei uns überlieferten Partituren bekannt sind; in Italien sind alle Materialien dazu verloren gegangen. Das gilt auch für Johann Adolph Hasses Oper „Semele“ aus dem Jahr 1726. Unter der Leitung von Claudio Osele wurde sie auf der Grundlage unserer Partitur 2018 bei den Innsbrucker Festwochen alter Musik szenisch und 2019 im Theater an der Wien konzertant bzw. halbszenisch zur Aufführung gebracht: Ein Meisterwerk war wieder zu entdecken. Wir zeigen hier den Einband der aus Jarmeritz zu uns gelangten Partitur, weil Johann Adam Graf Questenberg alle seine Opernpartituren in dieser sehr charakteristischen Weise hat binden lassen.

 

Die Streichzither

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019


Ich bin immer "im Dienst", auch im Urlaub. Rund um unser Refugium im oberösterreichischen Salzkammergut weiß man, womit ich beruflich beschäftigt bin. Ich halte da oder dort einen Vortrag, schreibe dies oder das in lokalen Medien, engagiere mich für die Musiktage Mondsee und bringe so auf sehr persönliche Weise Archiv, Bibliothek und Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde im oberösterreichisch-salzburgischen Raum zu einer ganz besonderen lokalen Bekanntheit. Oft genug werde ich einschlägig wegen Noten, Bücher oder Musikinstrumente angesprochen. Eine andere Schiene meiner beruflichen Aktivitäten im Urlaub: Nach Möglichkeit lasse ich im engeren oder weiteren Umkreis keinen Flohmarkt aus und die wenigen noch existierenden Altwarenhändler kennen mich alle. Am schönsten war es aber, als mich eine Dame in Mondsee darauf ansprach, ob ich an einem "Raffele" Interesse hätte; sie würde es mir für die von mir betreuten Sammlung schenken. Ihr Großvater hat noch darauf gespielt. Danach war es nur mehr ein Dekorationsstück an der Wand, und wer weiß ..., in der nächsten Generation... Es sollte doch in guten Händen bewahrt bleiben. Das konnte ich ihr dankend versichern.
"Raffele" ist eine volkstümliche Bezeichnung für die Zither, in diesem konkreten Fall für eine Streichzither. Diese wurde im Biedermeier erfunden und erlebte eine rasche Verbreitung. Sie hat keine Baß- oder Begleitsaiten, sondern nur Melodiesaiten, die wie bei der Zither gegriffen, aber nicht gezupft, sondern mit einem Bogen gestrichen werden. Eine Streichzither war bisher in unserer Sammlung historischer und außereuropäischer Musikinstrumente nicht vertreten. Die Geschenkgeberin hat sich schon bei einem Konzert unseres Zyklus "Nun klingen sie wieder" im Brahms-Saal überzeugen können, dass die von ihrem Großvater gespielte Streichzither bei uns lebt. In der kommenden Saison wird sie wieder in diesem Zyklus zu erleben sein. Hören kann man sie auch mit einem Link zu "Wie klingt denn das?"
Otto Biba

 

Komponieren im Musikverein

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019


In den Jahren 1999 und 2000 arbeitete Krzysztof Penderecki an seinem Sextett für Klarinette, Horn, Violine, Viola, Violoncello und Klavier. Den Kompositionsauftrag dazu hatte er von dem Intendanten der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Dr. Thomas Angyan, erhalten, und irgendwie drängte es ihn, an diesem Werk soviel wie möglich in diesem Haus zu arbeiten, wofür er es schrieb, wo er sich aber auch wirklich zuhause fühlte. Er kam in dieser Zeit oft (auch aus anderen Gründen) nach Wien und zog sich dann in den Musikverein zur kompositorischen Arbeit zurück. In jenen Raum, der einst das Direktionszimmer des Konservatoriums, später das Büro Herbert von Karajans war und danach ein Raum zur besonderen Verwendung wurde. Als der japanische Kronprinz (und jetzige Tenno) über Einladung der Gesellschaft der Musikfreunde fast eine ganze Woche in Wien verbrachte, hat er hier zu Mittag gegessen. Viele im Haus gastierende Künstler wollten und durften diesen Raum in Beschlag nehmen, und bei jedem Aufenthalt Pendereckis in Wien kehrte er zur kompositorischen Arbeit in „sein“ Zimmer zurück. Er hatte viele Gründe zu kommen, nicht zuletzt für zwei weitere Kompositionsaufträge: Largo für Cello und Orchester (2005 uraufgeführt) und das 2012 uraufgeführte Doppelkonzert. Aber besonders schön, dass das weitgehend hier entstandene Sextett heute sein bekanntestes und meist gespieltes Werk ist. Die Entstehung war nicht leicht. Wenn Penderecki arbeitete, durfte absolut niemand den Raum betreten; zwischendurch oder nach der Arbeit plauderte er mit Dr. Thomas Angyan, mit der geradezu legendären „Frau Direktor“ Margarete Gruder-Guntram oder er kam gerne ins Archiv. Dort sah er  sich dies oder jenes an und sprach über die Arbeit, über andere Komponisten, über Kompositionsprojekte oder auch nur über die Wahl des richtigen Notenpapiers. Ob das Sextett wirklich zweisätzig werden oder bleiben würde, das hat ihn lange beschäftigt. Aber dann war es so weit, wir erhielten die abgeschlossene Partitur, auf Notenpapier im größten erhältlichen Format „wie gestochen“ geschrieben – und zweisätzig.
Otto Biba

 

Mit Brahms in Verona

Ludwig Michalek
Johannes Brahms
© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2018

 

Baedeker, Oberitalien
Aus dem Besitz von Johannes Brahms
© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2018

 
Vielgestaltig ist der Nachlaß von  Johannes Brahms in unserem Archiv. Jedes Stück ist in Buchform oder in digitalen Verzeichnissen im Internet aufgelistet, aber wenn man es in die Hand nimmt, gibt es dann doch oft eine Überraschung. Was sagt zum Beispiel nicht alles der Zustand eines Buches aus: Eine Gedichtsammlung mit unaufgeschnittenen Seiten; da hat der Dichter vergeblich gehofft, Brahms würde ein Gedicht von ihm vertonen.  Ein völlig zerfledderter Baedeker für Italien; Brahms hat ihn auf seinen Italienreisen wirklich oft benützt. (Weil die starken Gebrauchsspuren auch etwas aussagen, darf man ihn natürlich nicht neu binden lassen.) Zahlreiche Eintragungen und Anstreichungen sind darin zu finden. Zum Beispiel die Daten, wann er diese oder jene Stadt besucht hat, oder die Markierung des Hotels, in dem er abgestiegen ist. Man staunt, wie man Brahms mit diesem Baedeker auf seinen Reisen begleiten kann.  Zum Beispiel: Er war vier Mal in Verona (1884, 1887, 1888 und 1890), abgestiegen ist der dort in dem direkt an der Etsch gelegenen Gasthof (samt Trattoria) Cola.


 

Nichtmusikalische Bestände

Archiv, Bibliothek und Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien sind auch für ihre vielen nicht-musikalischen Objekte bekannt und berühmt. Sie wurden und werden gesammelt, um Hintergrundinformationen zu musikalischen Biographien, Ereignissen, Aktionen und Reaktionen zu liefern, kurz, um das Leben von Musikern und Komponisten und außerkünstlerisch beeinflusste musikalische Phänomene besser verständlich zu machen. An der Spitze dieses besonders für Ausstellungen und für Illustrationszwecke viel gefragten Sammlungsbestandes stehen Ansichten historischer Ereignisse, topographische Ansichten, kulturgeschichtliche Darstellungen und Portraits nicht-musikalischer Persönlichkeiten, dazu gehören aber auch gegenständliche Objekte verschiedenster Art. In stetem Wechsel wird hier eine Auswahl von etwa zehn allgemeinen und etwa zehn topographischen Objekten gezeigt, nicht um Highlights zu präsentieren, sondern um einen Eindruck vom umfassenden Charakter dieses Sammlungsbestandes zu vermitteln. Was für den musikalischen Bestand gilt, gilt auch für ihn. Er ist weltweit orientiert. Er wird vor allem von Kunsthistorikern, Kulturhistoriker, Lokalhistorikern, Medien und zur Unterstützung ihrer Studien von Musikwissenschaftlern genützt.

 

Schreibtischgarnitur

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2020


Eine Schreibtischgarnitur im Wiener Historismus, um 1870, mit zwei Tintenfässern, einem Briefmesser und zwei  Kerzenleuchtern. Unverzichtbare Requisiten für jeden Schreibtisch dieser Zeit. Auf welchem diese wohl gestanden sind? Aber vom Lebens-, Wohn- und Arbeitsstil dieser Epoche erzählen sie uns jedenfalls.

 

Kaiser-Krönung, 1792

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2018


Der Krönungszug für Kaiser Franz  II. am 14. Juli 1792 in  Frankfurt am Main. Es war die letzte Krönungszeremonie für einen Kaiser des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation.
Kolorierte Radierung, unbezeichnet. Sie wurde schon vor dem eigentlichen Krönungsakt vorbereitet und produziert, das Datum wurde handschriftlich eingesetzt.
Die Frankfurter Krönungsfeierlichkeiten waren nicht nur ein politisches und historisches, sondern immer auch ein großes musikalisches Ereignis. Dazu gibt es viel dokumentarisches Bildmaterial in unseren Sammlungen.

 

Diligence

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2018


Die Diligence, eine private – nicht von der Post betriebene – mehrspännige Eil-Kutschen-Verbindung.
Lithographie von Jean François und Michael Ange Gihaut, Paris, ca. 1840.
In unzähligen Komponisten- und Musikerbriefen lesen wir, dass der Briefschreiber von hier nach dort die Diligence genommen habe oder nehmen wird: So sah ein Diligence-Wagen aus.

 

Eisenbahn

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019


Die am 14. November 1837 durchgeführte Probefahrt für die am 19. November stattfindende erste Fahrt der "Kaiser-Ferdinands-Nordbahn", der ersten Eisenbahnlinie in Österreich.
Lithographie von Franz Wolf.
Selbst die damals in Wien weilende Clara Wieck hat mit ihrem Vater die neue Fortbewegungsmöglichkeit mit der Eisenbahn, dem "Dampfwagen", bewundert. Johann Strauß Vater hat schon 1836 den Bau dieser Eisenbahnlinie mit seinem "Eisenbahn-Lust-Walzer" begrüßt. Die Lithographie markiert den Beginn der Eisenbahn und illustriert die Faszination, die sie durch mindestens ein Jahrhundert auf Musiker und Komponisten ausgeübt hat.

 

Billard

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2020


Das Billardspiel, kolorierter Kupferstich, Wien 1793
Musizieren, Spiel und Lesen, gefolgt von Landpartien und Konversation waren durch Jahrhunderte die wichtigsten Freizeitvergnügen. Mozarts besondere Freude am Billardspiel und am Kegeln ist mehrfach belegt.

 

Schematismen

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2018

 

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2018


Adressbücher, Schematismen, Gewerbeverzeichnisse und alle ähnlichen Publikationen sind wertvolle Nachschlagewerke für kulturgeschichtliche und biographische Forschungen. In unserer Bibliothek besitzen wir solche aus zahlreichen Ländern.

 

Hanover Square Rooms

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2020


Türschild aus den Hanover Square Rooms in London.
Die 1774 eröffneten Hanover Square Rooms waren eine der berühmtesten Konzertstätten Londons des späten 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während seiner zweimaligen Aufenthalte in London hat Joseph Haydn hier seine Konzerte gegeben. Nachdem größere Konzertsäle notwendig geworden waren, verloren die Hanover Square Rooms an Bedeutung. Das letzte Konzert fand hier 1874 statt.

 

Kleidung, Kostüme, Trachten

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2020


Efendi or Turkish Gentlemen, unbezeichnete Gouache, englisch, um 1800.
Das Interesse für die Musik anderer Kulturen verband sich mit dem Interesse an den Formen des Lebensstils. Speziell für Opernproduktionen war auch die Kenntnis der Bekleidung in fremden  Ländern und Gesellschaften wichtig.

 

Japan

„Ein Japon“, Kupferstich aus:
Augustin Hingerle: De India, Wien 1726
© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019

 

„Fremde bei einer Wein-Party“,
Farbholzschnitt von Yoshikazu, 1861
© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019

 

„Fremde beim Billard-Spiel“,
Farbholzscnitt von Ohtaya, um 1880
© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019


Mit der 1853 einsetzenden Öffnung Japans kamen westliche Kultur und westlicher Lebensstil in das Land. Dazu besitzen wir zahlreiche japanische Farbholzschnitte (Ukiyo-e), weiters auch unterschiedliche Dokumente zum Beginn japanisch-europäischer (im speziellen österreichischer) Musikbeziehungen.

 

Geld

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2018


Münzen und Papiergeld aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert
Womit wurden Musiker und Komponisten bezahlt? Womit bezahlte man die Bedürfnisse des täglichen Lebens, aber auch Musikalien und Musikinstrumente?
Wir besitzen in unseren Sammlungen zahlreiche Beispiele für Münzen und Papiergeld, vornehmlich aus dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, aus den habsburgischen Ländern und aus Frankreich.

 

Schnupftabaksdosen

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2018


Wir besitzen in unseren Sammlungen einen guten Bestand an Schnupftabaksdosen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Auf solchen Dosen war das abgebildet, womit der Besitzer eine besondere Freude hatte oder worin er seine Lebensaufgabe sah. Fast alle unserer Schnupftabaksdosen tragen musikalische Darstellungen, aus dem Milieu der Volksmusik wie der Kunstmusik, aber auch der antiken Götterwelt und der Allegorie. Sie stammen also von Musikern oder besonders ambitionierten Musikfreunden.

 

Topographie
 

Donauüberschwemmung

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2018


Ravage causé par le débordement du Danube á Vienne résidence del lémpereur dans le fauxbourg Léopold, koloriertes Guckkastenblatt, [1784]
Die große Donauüberschwemmung in Wien im Februar und März 1784 hat die Vorstadt Leopoldstadt völlig unter Wasser gesetzt, aber auch in anderen Teilen Wien großen Schaden angerichtet. Sie folgte einem extrem kalten Winter. Manche kulturgeschichtlichen Phänomene dieses Winters und Frühjahrs lassen sich nur erklären, wenn man diese Katastrophensituation kennt.
 
 

Wien, Ringtheater-Brand, 1881

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2020


Der Brand des Ringtheaters in Wien, 8. Dezember 1881, Xylographie von Ladislaus Petrovits
Die bis dahin größte Katastrophe in einem kulturellen Zusammenhang. Das Feuer brach knapp vor Beginn einer Vorstellung von Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ aus. Das Theater wurde völlig vernichtet; man sprach von 384 Todesopfern, es dürften aber mehr gewesen sein. In der Folge wurde ein strenges theaterpolizeiliches Gesetz für Fluchtwege und sonstige Sicherheitsvorkehrungen in Theatern und Konzertsälen erlassen.

 

Wien

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2018


Limonadehütte auf dem Graben in Wien
Kolorierte Lithographie von F. Hofbauer nach Alexander Bensa, Wien1836
Die so genannte Limonadehütte war ein gesellschaftlicher Treffpunkt auf dem Graben in Wien. In ihrer Nähe fanden seit den 1780er Jahren bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts Freiluftkonzerte statt.

 

Karten


Oben: Landkarte der Republik Venedig, Johann Baptist Homann, Nürnberg um 1740, Ausschnitt
Unten: Stadtplan von Tokyo, Tokyo 1858, Ausschnitt
© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2019


In unseren Beständen gibt es zahlreiche Landkarten und Stadtpläne, die für historische Lokalisierungen, Distanzen, Reisemöglichkeiten wichtige Hilfen sind.

 

Bucintoro

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2020


Die Ausfahrt des Dogen mit  dem Bucintoro, dem venezianischen Staatsschiff, am Morgen des Maria Himmelfahrts-Tages.
Kolorierte Radierung von Giovanni Battista Brustolon nach Bernardo Bellotto, "Canaletto", 1766
Am 15. August jedes Jahres wurde mit dieser Ausfahrt die symbolische Vermählung des Dogen mit dem Meer gefeiert. Es war ein politisches und religiöses Fest mit vielen musikalischen Aspekten.

 

Die Belagerung von Prag, 1757

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2020


Die Belagerung von Prag, 1757, Radierung von P. Benezech [1758]
Kriegshandlungen haben immer wieder musikalische Darstellungen in „Schlachtenmusiken“ erfahren. Prags Belagerung durch preußische Truppen im Siebenjährigen Krieg ist ein signifikantes Beispiel dafür. Sie hat aber auch, von Schlachtenmusiken abgesehen, zahlreiche Spuren in der Kultur- und Musikgeschichte hinterlassen.

 

Der Hafen von Sydney

© Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2020


Die Titelblatt-Illustration des Lithographen Edmund Thomas (1827-1867) zeigt eine der ältesten Ansichten des Hafens von Sydney. Titelblatt-Illustrationen von Musikdrucken haben oft – ganz unabhängig von der Musik – eine große ikonographische Bedeutung für Topographien, Biographien oder die Geschichte. Oft stammen sie auch von bedeutenden Künstlern, weshalb sie auch für Kunsthistoriker von großem Interesse sind. Üblicherweise sind in Katalogen von Musikbibliotheken Titelblatt-Illustrationen bzw. andere Illustrationen von Musikdrucken nicht thematisch erfasst. In unserem in Arbeit befindlichen digitalen Bestands-Katalog kann man gezielt solche Illustrationen suchen.