DER KONGRESS KLINGT
Musiksektion der Ausstellung
IDEE EUROPA
200 Jahre Wiener Kongress
in der Geistlichen Schatzkammer,
Hofburg, Schweizerhof
Geöffnet Montag bis Samstag, 10 – 17 Uhr
Eintritt frei
Alle ausgestellten Objekte stammen aus
Archiv, Bibliothek und Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
Kuratoren:
Otto Biba und Ingrid Fuchs
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Vormalige Feinde und nun mehr Unterlegene saßen mit den Verbündeten und Siegern gleichberechtigt an einem Tisch, um die Neugestaltung Europas zu verhandeln, die Verbündeten selbst waren nun plötzlich Konkurrenten, um bei dieser Neugestaltung möglichst viel für sich zu erreichen. Gemeinsam erlebte Konzerte, Opernbesuche, Kammermusik in den Salons und Tanzveranstaltungen, aber auch sonstige Musikerlebnisse bei gesellschaftlichen Ereignissen bauten Misstrauen ab und brachten die Verhandlungspartner einander näher. Musik wurde schließlich auch von den Gastgebern ganz bewusst als Trumpf eigener unnachahmlicher Stärke ausgespielt.
Le Congrès [Die „tanzenden“ Monarchen, Karikatur],
Radierung, koloriert, von Forceval, nach einem unbekannten Künstler
Die für Ereignisse im Zusammenhang mit dem Kongress komponierte Musik, Werke, welche die Freude über den Frieden und den freudigen Ausblick auf die Zukunft musikalisch ausdrückten, sowie programmmusikalische Schilderungen von gesellschaftlichen Ereignissen während des Kongresses wurden umgehend, wenn notwendig in Klavier- oder sonstigen Arrangements, veröffentlicht.
Adalbert Gyrowetz, Sieges- und Friedens-Fest der verbündeten
Monarchen gefeyert im Prater […] am 18.ten October 1814,
als am Jahrstage der Völkerschlacht bey Leipzig. Eine
charakteristische Fantasie für das Piano-Forte
Die Tanzmusik, nach der die Kongressteilnehmer und ausgewählte geladene Gäste auf den großen Ballveranstaltungen tanzten, wurden in allen Schichten des Bürgertums, ja selbst in Wirtshäusern, auf dem Klavier, auf der Harfe oder in sonstigen Arrangements gespielt, was ein Gefühl des Miterlebens gab.
Joseph Eybler, Allgemein beliebte Polonoises, Eccossoises
und Contre=Taenze, welche bey den k.k. Hof- und Kammerbällen,
wie auch in der k.k. Reitschule, während der Anwesenheit der hohen
und höchsten Monarchen in Wien, von Joachim Höllmayr, [Musik-]
Director im grossen Redoutensaale, aufgeführt worden sind, […]
für das Pianoforte
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Dasselbe galt für die zu anderen gesellschaftlichen Ereignissen komponierte Musik, die wie die Tanzmusik in Arrangements europaweit verbreitet wurde, und schließlich auch für musikalische Schilderungen festlicher Ereignisse. Derartige „Tongemälde“ oder ähnliche Gelegenheitsmusiken wurden schon vor dem Kongress anlässlich von Schlachten, Friedensschlüssen oder sonstigen herausragenden Ereignissen komponiert; in einer Zeit, in der das Klavierspiel Allgemeingut war, war solche Musik eine Art von Berichterstattung mit einem starken emotionalen Identifikationsfaktor.
Ludwig van Beethoven, Wellingtons Sieg oder die Schlacht bey Vittoria.
Für das Piano=Forte, op. 91, Erstausgabe
Duke of Wellington’s Waltz im Tanzmusik-Büchlein des K. E. Stapleton,
angelegt nach August 1814, Manuskript
Die vielen Gäste in der Stadt und diese vielen zusätzlichen Aufgaben für die Musik ließen auswärtige Musiker nach Wien eilen und beschäftigten die hier ansässigen außerordentlich.
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Die Zahl der Konzerte stieg, die Opernhäuser hatten einen größeren Zulauf, bei Hof und in den Adels- und Botschafter-Palais gab es zahlreiche Bälle, aber auch die Tanzsäle in der Vorstadt und die Vorstadt-Theater wurden von den Kongressgästen aufgesuchten, erlebten also eine ebensolche Hochblüte.
Tanzsaal im Gasthause bey der Birne auf der Landstrasse
Lithographie, koloriert, von Alexander von Bensa
Straßenmusikanten und Volkssänger nahmen sich der aktuellen Thematik des Kongresses an, wurden aber von den Gästen auch als Wiener Musikeindrücke rezipiert.
Die Musikanten, Lithographie, koloriert, von
[Heinrich] Papin nach Joseph Lanzedelly
In dem nunmehr besonders reichen Musikleben der Stadt hatte auch die Kirchenmusik außerordentlichen Aufgaben.
Das Te Deum Laudamus in der Hofkapelle nach der Huldigung
von Kaiser Leopold II., Radierung, koloriert, unbezeichnet
Das nach langer Kriegszeit abgewirtschaftete Musikverlagswesen blühte langsam – nicht zuletzt mit den beschriebenen Gelegenheitskompositionen – wieder auf, und selbst der Musikinstrumentenbau erfreute sich an Aufträgen seitens der Gäste. Die Militärmusik wurde erstmals zu jenem Faktor der Repräsentation wie Unterhaltung, wie er uns heute noch vertraut ist.
Musik-Banda der K. K.. Ung.[arischen] Lin.[ien] Infanterie,
Lithographie, koloriert, von Joseph Trentsensky
Einen besonderen Schwerpunkt der Ausstellung bilden die in den Jahren 1813 bis 1815 entstandenem Kompositionen Ludwig van Beethovens, der sowohl die damalige patriotische Stimmung, als auch die durch die Anwesenheit höchster adeliger Kreise und Monarchen in Wien außergewöhnliche gesellschaftliche Situation zu nutzen verstand und zum musikalischen Star des Wiener Kongresses avancierte.
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